Samstag, 18.11.2017

Ein Ausflug in die Vergangenheit

Erstmal muss ich mich entschuldigen, ich höre förmlich schon die Stimmen, die schreien ,,Ich habs dir ja gesagt“. Blog schreiben ist tatsächlich nicht so einfach, zumindest wenn man gerne regelmäßig berichten möchte. Ich bin sicher, dass ihr das auch kennt: Man hätte eigentlich Zeit etwas zu machen und aus logischer Sicht betrachtet spricht rein gar nichts dagegen. Aber trotzdem macht man es nicht, ohne es sich wirklich erklären zu können. So ging es mir in den letzten Wochen, ich hatte die Notwendigkeit eines neuen Eintrags zwar im Hinterkopf, aber so präsent ihn zu schreiben war es dann doch nicht. Ist aber ja auch egal, glücklicherweise steht hier ja kein Zwang hinter.

 

Gestern wurden unsere Wochenendpläne völlig umgeworfen, weil uns unser Chef mitgeteilt hat, dass heute in einem Nachbarort traditionelle Tänze sind, die nur alle zwei Jahre stattfinden und auf gar keinen Fall verpasst werden dürfen! Warum genau getanzt wird, hat mir keiner erklären können (oder ich habe es nicht verstanden), aber dass getanzt wird, reicht als Information ja auch eigentlich aus.Somit fanden wir uns nach einer kurz en Fahrt inmitten von tausenden Menschen wieder (ich bin leider absolut untalentiert Schätzungen von Zahlenmengen anzugeben, aber es waren sehr sehr viele Menschen). Die Stimmung hat etwas an Karneval erinnert – laut, ausgelassen, etwas verrückt und das wichtigste: Überall lagen ,,Kostüme“ bzw. traditionelle Trachten für die Tänze bereit. Die Menschenmasse wurde von ausdauernden Rufen von zahlreichen Verkäufern durchdrungen, die Erdnüsse, Kokosnuss, Schmuck und Stoffe anboten. Da das menschliche Stimmorgan nicht immer ausreichend ist, wurde das durch unzählige Lautsprecher verstärkt, die solch eine Anziehungskraft hatten, dass die verschiedenen Stände eine nicht zu verleugnende Ähnlichkeit mit Bienenstöcken hatten.

Dabei war die größte Attraktion ein unverbeulter nigelnagelneuer Trecker, wobei das verwunderlichste wohl die Tatsache ist, dass er es ohne Macken in das Landesinnere geschafft hat. Wie hier mit einem Trecker Landwirtschaft betrieben werden soll ist mir sowieso schleierhaft, dafür müssten die Felder völlig neu strukturiert werden. Ganz abgesehen davon ist die hier noch betriebene Anbauweise durch Wechselkulturen bzw. Shifting Cultivation wesentlich nachhaltiger und auf lange Sicht gesehen auch ertragreicher.

 

Aber darum geht es nicht, also weiter in der Erzählung: Wir sind gegen den Strom der Menschen immer weiter zur ,,Chifferie“ vorgedrungen, das ist im Prinzip der Königspalast des Ortes, in dem die Tänze stattfanden. Die Traditionen bestehen bis heute, sodass jeder Bezirk seinen König hat, somit auch Baham, wo ich wohne. Natürlich waren wir zu spät dran, sodass wir schon nach kurzer Zeit umgekehrt sind und dabei feststellen mussten, dass andere Menschen schon vorher auf die Idee gekommen sind, sich Plätze zu suchen, um das Spektakel zu beobachten. Glücklicherweise haben wir aber immer noch unsere Hautfarbe, damit hat man selbst wenn alles zu spät ist noch einen Trumpf in der Hand. Klingt makaber? Sicherlich, aber ist Realität. Während alle anderen für die ,,VIP-Lounge“ Tickets vorzeigen mussten, wurden wir sofort durchgewunken. Da sagt man auch nicht nein 😉

Trotzdem bringen auch gepolsterte Stühle nichts, wenn man einfach zu klein ist. Das Sitzen war zwar recht angenehm, aber gesehen habe ich nichts. Erst recht nichts als die Zeremonie begonnen hat, da hatten nämlich alle die grandiose Idee aufzustehen, was mit lautem Protest kommentiert wurde. Glücklicherweise hat aber DG (unser Chef) die Lage erkannt und alles daran gesetzt, um uns so nah wie möglich an die Abgrenzung heran zu bringen wie es möglich war, sodass wir ein paar Minuten später nur Zentimeter entfernt von den Tänzern auf dem Boden hockten und alles hautnah erlebt haben. Da Hocken doch recht anstrengend ist, habe ich mich dazu entschieden, dass ich meine Hose abends in die Wäsche werfen werde und mich gemütlich auf den Boden setze. Einen besseren Platz hätte es nicht geben können!

Ein paar Trommelschläge später waren wir in einer anderen Welt, in die uns alle Anwesenden und die Tänzer mitgerissen hatten. Die Tänzer trugen weite Trachten mit blau weißen Grundstoff, wobei überall kleine Glöckchen angebracht waren, die der Bewegung ein rhythmisches Klingen verlieh. Dazu hatte ein Teil Stoffmasken auf, die entfernt an das Gesicht eines Elefanten erinnerten und mit kunterbunten Perlen übersät war. Dazu waren am Rücken ein oder mehrere Leopardenfelle angeheftet, die je nach Größe wie eine kleine Schleppe hinterher gezogen wurden. Andere wiederum waren eher schlicht gekleidet und trugen stattdessen riesige Hüte, die aus Stroh gefertigt und an der Oberseite mit Federn bestückt waren. Viele der Tänzer hatten eine Art Stab in der Hand, an dem ein (echter) Pferdeschweif befestigt war, welcher im Rhythmus der Trommeln geschwungen und manchmal in die Menge geworfen wurde. Dort wurde er dann mit großem Gejohle aufgenommen und musste tanzend wieder zurückgegeben werden (die Reaktion der Menge hat mich erneut an Karneval erinnert). Nicht nur die Tänzer hatten besondere Kleidung an, auch die Zuschauer haben sich sichtbar heraus geputzt und überall waren Farben. Schon mit dem Beobachten der Kleidung hätte man Stunden verbringen können.

Übrigens sind uns heute auch mehrere andere Weiße über den Weg gelaufen, was sehr bizarr war. Ich musste das Bedürfnis zu ihnen zu gehen und sie zu fragen, wie sie genau hier gelandet sind, nicht nur einmal unterdrücken.

Liebe Grüße aus dem farbenfrohen Kamerun nach Deutschland! 🙂