Samstag, 18.11.2017

Ein Ausflug in die Vergangenheit

Erstmal muss ich mich entschuldigen, ich höre förmlich schon die Stimmen, die schreien ,,Ich habs dir ja gesagt“. Blog schreiben ist tatsächlich nicht so einfach, zumindest wenn man gerne regelmäßig berichten möchte. Ich bin sicher, dass ihr das auch kennt: Man hätte eigentlich Zeit etwas zu machen und aus logischer Sicht betrachtet spricht rein gar nichts dagegen. Aber trotzdem macht man es nicht, ohne es sich wirklich erklären zu können. So ging es mir in den letzten Wochen, ich hatte die Notwendigkeit eines neuen Eintrags zwar im Hinterkopf, aber so präsent ihn zu schreiben war es dann doch nicht. Ist aber ja auch egal, glücklicherweise steht hier ja kein Zwang hinter.

 

Gestern wurden unsere Wochenendpläne völlig umgeworfen, weil uns unser Chef mitgeteilt hat, dass heute in einem Nachbarort traditionelle Tänze sind, die nur alle zwei Jahre stattfinden und auf gar keinen Fall verpasst werden dürfen! Warum genau getanzt wird, hat mir keiner erklären können (oder ich habe es nicht verstanden), aber dass getanzt wird, reicht als Information ja auch eigentlich aus.Somit fanden wir uns nach einer kurz en Fahrt inmitten von tausenden Menschen wieder (ich bin leider absolut untalentiert Schätzungen von Zahlenmengen anzugeben, aber es waren sehr sehr viele Menschen). Die Stimmung hat etwas an Karneval erinnert – laut, ausgelassen, etwas verrückt und das wichtigste: Überall lagen ,,Kostüme“ bzw. traditionelle Trachten für die Tänze bereit. Die Menschenmasse wurde von ausdauernden Rufen von zahlreichen Verkäufern durchdrungen, die Erdnüsse, Kokosnuss, Schmuck und Stoffe anboten. Da das menschliche Stimmorgan nicht immer ausreichend ist, wurde das durch unzählige Lautsprecher verstärkt, die solch eine Anziehungskraft hatten, dass die verschiedenen Stände eine nicht zu verleugnende Ähnlichkeit mit Bienenstöcken hatten.

Dabei war die größte Attraktion ein unverbeulter nigelnagelneuer Trecker, wobei das verwunderlichste wohl die Tatsache ist, dass er es ohne Macken in das Landesinnere geschafft hat. Wie hier mit einem Trecker Landwirtschaft betrieben werden soll ist mir sowieso schleierhaft, dafür müssten die Felder völlig neu strukturiert werden. Ganz abgesehen davon ist die hier noch betriebene Anbauweise durch Wechselkulturen bzw. Shifting Cultivation wesentlich nachhaltiger und auf lange Sicht gesehen auch ertragreicher.

 

Aber darum geht es nicht, also weiter in der Erzählung: Wir sind gegen den Strom der Menschen immer weiter zur ,,Chifferie“ vorgedrungen, das ist im Prinzip der Königspalast des Ortes, in dem die Tänze stattfanden. Die Traditionen bestehen bis heute, sodass jeder Bezirk seinen König hat, somit auch Baham, wo ich wohne. Natürlich waren wir zu spät dran, sodass wir schon nach kurzer Zeit umgekehrt sind und dabei feststellen mussten, dass andere Menschen schon vorher auf die Idee gekommen sind, sich Plätze zu suchen, um das Spektakel zu beobachten. Glücklicherweise haben wir aber immer noch unsere Hautfarbe, damit hat man selbst wenn alles zu spät ist noch einen Trumpf in der Hand. Klingt makaber? Sicherlich, aber ist Realität. Während alle anderen für die ,,VIP-Lounge“ Tickets vorzeigen mussten, wurden wir sofort durchgewunken. Da sagt man auch nicht nein wink

Trotzdem bringen auch gepolsterte Stühle nichts, wenn man einfach zu klein ist. Das Sitzen war zwar recht angenehm, aber gesehen habe ich nichts. Erst recht nichts als die Zeremonie begonnen hat, da hatten nämlich alle die grandiose Idee aufzustehen, was mit lautem Protest kommentiert wurde. Glücklicherweise hat aber DG (unser Chef) die Lage erkannt und alles daran gesetzt, um uns so nah wie möglich an die Abgrenzung heran zu bringen wie es möglich war, sodass wir ein paar Minuten später nur Zentimeter entfernt von den Tänzern auf dem Boden hockten und alles hautnah erlebt haben. Da Hocken doch recht anstrengend ist, habe ich mich dazu entschieden, dass ich meine Hose abends in die Wäsche werfen werde und mich gemütlich auf den Boden setze. Einen besseren Platz hätte es nicht geben können!

Ein paar Trommelschläge später waren wir in einer anderen Welt, in die uns alle Anwesenden und die Tänzer mitgerissen hatten. Die Tänzer trugen weite Trachten mit blau weißen Grundstoff, wobei überall kleine Glöckchen angebracht waren, die der Bewegung ein rhythmisches Klingen verlieh. Dazu hatte ein Teil Stoffmasken auf, die entfernt an das Gesicht eines Elefanten erinnerten und mit kunterbunten Perlen übersät war. Dazu waren am Rücken ein oder mehrere Leopardenfelle angeheftet, die je nach Größe wie eine kleine Schleppe hinterher gezogen wurden. Andere wiederum waren eher schlicht gekleidet und trugen stattdessen riesige Hüte, die aus Stroh gefertigt und an der Oberseite mit Federn bestückt waren. Viele der Tänzer hatten eine Art Stab in der Hand, an dem ein (echter) Pferdeschweif befestigt war, welcher im Rhythmus der Trommeln geschwungen und manchmal in die Menge geworfen wurde. Dort wurde er dann mit großem Gejohle aufgenommen und musste tanzend wieder zurückgegeben werden (die Reaktion der Menge hat mich erneut an Karneval erinnert). Nicht nur die Tänzer hatten besondere Kleidung an, auch die Zuschauer haben sich sichtbar heraus geputzt und überall waren Farben. Schon mit dem Beobachten der Kleidung hätte man Stunden verbringen können.

Übrigens sind uns heute auch mehrere andere Weiße über den Weg gelaufen, was sehr bizarr war. Ich musste das Bedürfnis zu ihnen zu gehen und sie zu fragen, wie sie genau hier gelandet sind, nicht nur einmal unterdrücken.

Liebe Grüße aus dem farbenfrohen Kamerun nach Deutschland! smile

Mittwoch, 18.10.2017

Eine Frage der Erziehung

 Im letzten Beitrag habe ich es schon angesprochen, dass mir die Tatsache, dass man durchgehend von Menschen umgeben ist, relativ schwer fällt. Das ist allerdings etwas Persönliches, was ich für mich selbst lernen muss. Viel gravierender für mich ist das Thema der Erziehung, da diese mit meinen Moralvorstellungen kollidiert – und das, obwohl ich doch gerade wegen diesen den Freiwilligendienst hier mache.

Dazu möchte ich gern etwas ausholen.

Während der Zeit in der unsere Vorfreiwillige noch hier war, haben Franziska und ich mit den Kindern (6 waren es zu diesem Zeitpunkt) noch in einer großen Gruppe Unterricht gemacht. Inzwischen wurden alle Kinder (es sind jetzt 7) in 3 Gruppen aufgeteilt.

Nunja, es dürfte nicht allzu schwer sein, sich das Szenario vorzustellen. Zwei neue Freiwillige, die deutlich jünger als die Vorfreiwillige sind, Sprachschwierigkeiten haben und denen generell der Plan fehlt, was jetzt eigentlich genau gemacht werden soll. Die Unsicherheit war also greifbar. Da aber Kinder entgegen der allgemeinen Annahme nicht alle Monster sind, war es sogar möglich, dass sie alle halbwegs konzentriert und ruhig gearbeitet haben.

Bis zu dem Zeitpunkt, wo Elias in den Raum gestürmt kam und voller Freude einen Sandkastenspielzeugautoirgendwas gegen die Wand hat fahren lassen. Natürlich unter ohrenbetäubendem Gebrüll – und das Schlimmste: Mit musikalischer Begleitung unserer Kinder, die davon überzeugt waren, dass Lachen die Situation perfekt untermalt. Sagt mal einem Jungen, der durch Gelächter der anderen in seinem Verhalten bestärkt wird, dass er doch bitte leise raus gehen soll. Ich bin mir sicher, dass das in der Altersgruppe schon bei Nicht-Behinderten eine Herausforderung darstellt. Aber Elias schien uns einfach nicht zu hören. Ruhiges Bitten, lauteres, bestimmtes Sprechen, das gleiche mit einem drohendem Unterton – hoffnungslos. Schreien hat übrigens auch nicht funktioniert (jaaa man soll das nicht machen, aber mit Zunahme der Verzweiflung nehmen klare Gedanken proportional ab).

Mein erster Gedanke als seine Mutter das Chaos mitbekommen hat: ,,Gott sei Dank!“. Die Erleichterung schlug dann aber viel zu schnell in eine Mischung aus Entsetzen, Mitleid und Wut um. Statt ihm deutlich zu machen warum sein Verhalten nicht angebracht ist, wurde er vor unseren Augen verdroschen. Nicht ein Klaps auf den Hintern oder eine Ohrfeige (was schon schlimm genug ist), sondern wirkliches Schlagen.

Das bekamen dann später wiederum die anderen Kinder von ihm zu spüren, da er die Schläge eins zu eins in Aggression umgewandelt hat. Wenn ich eins bisher gelernt habe, dann ist es, dass hier alle eine große Gemeinschaft sind. Natürlich gibt es Streitereien und Unstimmigkeiten, aber im Großen und Ganzen geht es hier sehr harmonisch zu. Jemand, der nicht laufen kann, holt vielleicht kein Wasser, aber spült stattdessen das Geschirr. So wird sich gegenseitig geholfen und ich habe bisher noch kein einziges Mal mitbekommen, dass bei Streitereien die Behinderungen miteinbezogen wurden. Es steht überhaupt nicht zur Debatte, dass man vielleicht aus Wut einem Anderen die Krücken klaut.

Elias hat nicht nur Krücken geklaut, sondern ist damit auch auf die anderen losgegangen. Wohlgemerkt er hat andere wehrlose Kinder geschlagen, ohne dafür auch nur irgendeinen Anlass zu haben.

Wie geht man mit so viel Aggressionspotential um? Ich habe darauf keine Antwort, höchstens Ideen, aber prinzipiell gehört so jemand in professionelle Hände, der ihm mithilfe einer Therapie die Möglichkeit gibt zu lernen, dass es neben dem Schlagen auch Handlungsalternativen gibt.

Doof nur, dass hier das Schlagen die gängige Erziehungsmethode ist. Vor Elias habe ich das nicht so mitbekommen, aber dadurch wird man natürlich darauf sensibilisiert. Ein WARUM gibt es nicht, nur ein DAS. Es muss eben einfach alles funktionieren.

In Zuge dessen haben sich die Rollstuhlkinder mit Stöcken ausgestattet, um Elias von sich fernhalten zu können. Wer kann es ihnen verdenken?

 

Es fielen immer wieder die Sätze ,,Hör auf, sonst schlägt dich Lea/Franzi.“. Ähm nein? An dieser Stelle ist bei mir eine Grenze erreicht, die ich auch auf gar keinen Fall überschreite. Ich meine, ich esse schon kein Fleisch/Fisch aus der Grundüberzeugung heraus, dass ich keinerlei Recht habe mich über ein anderes Lebewesen zu stellen. Mit dieser Überzeugung kann ich es in keinem Fall gegenüber mir selbst rechtfertigen einen Menschen zu schlagen. Besonders weil man bei Elias hervorragend sehen kann, was dieses Schlagen hervorbringt: Aggression, die abgebaut werden muss.

Wen hat man dabei als Vorbild? Die Eltern, die einem durch das Schlagen zeigen wie man diese Aggression am besten umsetzt.

 

Nichtsdestotrotz kann ich nichts an der Mentalität hier ändern. Man kann durch das Aufzeigen der eigenen Grenzen vielleicht eine gewisse Aufgeschlossenheit erzeugen, aber ändern kann (und sollte) man die Kultur nicht. Mir fiel es sehr schwer täglich zusehen zu müssen. Versteht es nicht falsch, ich rede nicht von Misshandlungen etc. Aber eben von den Drohungen oder auch von den älteren Kindern (besonders den Behinderten), die sich das zum Vorbild nehmen und sehr aggressiv auf Elias reagieren. Wie gesagt, mir tut schon die Drohung weh, weil es in keinster Weise zu meiner Lebenseinstellung passt.

Ich habe auch keinen ,,optimalen“ Weg gefunden, um damit umzugehen. Im Prinzip ist es die Frage, ob man es akzeptiert oder ob man das überhaupt nicht mit seiner Moralvorstellung vereinbaren kann und das Projekt nicht unterstützt, um es jetzt einmal sehr krass auszudrücken.

Ich habe mich dafür entschieden, die Tatsache zu akzeptieren und kann das auch mit mir selbst vereinbaren, solang nicht verlangt wird, die eigenen Grenzen zu überschreiten. Neben dieses bitteren Beigeschmacks spürt man auch unheimlich viel Freude und Harmonie, die dann in jedem Fall überwiegen.

 

Elias hat sich übrigens inzwischen recht gut eingelebt, von vollkommenem Frieden kann man wohl immer noch nicht sprechen, aber er respektiert andere Menschen mit jedem Tag mehr und ist auch durchaus in der Lage ab und zu mal zuzuhören. In dem dritten Freiwilligen, der letztes Wochenende angekommen ist, scheint er seinen Meister gefunden zu haben. smile

 

(Den Namen habe ich übrigens wie schon in dem anderen Beitrag geändert).

Sonntag, 15.10.2017

Erst oder schon?

Erst oder schon?

Das ist die Frage, die ich mir stelle, wenn ich überlege, dass ich seit fast 7 Wochen hier in Kamerun bin. Ich würde sehr gerne ein Fazit ziehen, aber dazu ist das Erlebte viel zu vielschichtig. Wie immer und überall gibt es Hochs und Tiefs – die Frage aller Fragen ist dann nur, welches überwiegt. Momentan habe ich das Gefühl, dass es sich sehr gut ausgleicht.

Wir leben jetzt seit knapp 4 Wochen direkt im Centre. Das heißt inmitten der Kinder und der älteren Pensionäre. Somit auch inmitten der Geräuschkulisse und natürlich auch inmitten von ihren Bedürfnissen. Wenn jemand im Rollstuhl aufs Klo muss, dann ist das so, egal ob man jetzt eigentlich arbeitet oder nicht.

In der Hinsicht kann ich leider nicht das von mir erwünschte Idealbild erfüllen. Ich würde so gerne eine Person sein, die das durchgehende Zusammenleben genießt. Stattdessen war ich auch in Deutschland schon immer eher ein Mensch, der sehr darauf achtet, genug Zeit für sich selbst zu haben. Das brauche ich hier umso mehr, weil man während des Unterrichts und auch im Laufe des Nachmittags konstant von Menschen umgeben ist, die Nähe. Interesse und Aufmerksamkeit einfordern – was man ihnen natürlich auch gerne gibt. Dabei ist es wie in den meisten Fällen – es ist nicht nur ein Geben, sondern auch ein Nehmen.

 

An der Stelle möchte ich den kleinen Ulli nennen (ich ändere die Namen der Kinder einfach mal, dann kann ich mehr von ihnen erzählen). Ulli kommt immer kuscheln. IMMER. Dabei ist er schon 9 und eigentlich kein Kleinkind mehr. Aber das ist ihm egal, wenn er merkt, dass du gerne kuscheln möchtest, sitzt er in der nächsten Sekunde auf deinem Schoß, verzwirbelt deine Haare oder schläft ganz fest an dich gelehnt ein.

Oder Friedrich. Friedrich liebt sein Leben. Er ist an einen Rollstuhl gebunden und kann diesen aufgrund von Spastiken nicht alleine bewegen. Genauso Schwierigkeiten hat er mit der Sprache, wobei sich im Unterricht rausgestellt hat, dass er mental ziemlich fit ist. Friedrich freut sich darüber, wenn er aufwacht, wenn er aufs Klo geht, wenn er gewaschen wird, wenn er essen darf. Aber das allerhöchste ist für ihn der Unterricht und bei der Aussicht Mandalas malen zu dürfen kippt er vor Freude fast aus dem Rollstuhl. Abends betet er immer ganz inbrünstig, wobei das aufgrund seiner Sprachschwierigkeiten auf ein ,,Merci“ beschränkt ist. Aber mehr braucht es auch gar nicht, dieses Danke sagt alles. Obwohl er körperlich sehr eingeschränkt ist, macht er riesige Fortschritte und hat in kürzester Zeit große Teile des Alphabets schreiben gelernt. Heute ist er zum ersten Mal alleine aus dem Rollstuhl aufgestanden und hat sich in einen anderen Rollstuhl gesetzt – nur mithilfe einer Tischkante. Schon der Gedanke an ihn lässt mir das Herz aufgehen. Ich glaube, dass man von ihm bezüglich der Lebenseinstellung sehr viel lernen kann.

Das Fazit kann ich dank jahrelangem Eintrichtern jetzt doch nicht weglassen, das fühlt sich ziemlich falsch an. laughing

Prinzipiell gewöhnt man sich an alles. Ich hätte niemals gedacht, dass ich mich mit dem Essen soweit anfreunden kann, dass ich nicht mehr hungrig ins Bett gehe – aber tatsächlich funktioniert das inzwischen doch ganz gut. Nicht nur das Essen wird immer mehr zur Routine, sondern auch der Alltag an sich oder die Tatsache, dass nie ausreichend Wasser da ist. Aber zu diesen Themen später mehr.

Mittwoch, 27.09.2017

Zurück in den Tumult nach Bafoussam

Etwas zu spät möchte ich euch gerne von unserem ersten Ausflug in die nächstgrößere Stadt Bafoussam berichten. Dieser schloss sich dem Verteilen der Spenden an, von dem ich euch bereits erzählt habe.

Zwei weitere Freiwillige, welche in Bafoussam arbeiten und leben, haben uns für den Samstag eingeladen, um uns die Stadt etwas zu zeigen, aber vor allem um andere Gleichgesinnte kennenzulernen. Komisch irgendwie, dann sind da auf einmal doch andere Leute in der gleichen Situation, die für einen selbst und sein Umfeld völlig neu und mit vielen verschiedenen Gefühlen behaftet ist. Prinzipiell sah ich dem ganzen aber eher mit gemischten Gefühlen entgegen. Der Leiter unserer Einrichtung (genannt DG) und seine Frau (genannt MaDe) sind zwar wirklich herzensgute Menschen, aber eben deswegen hat es etwas gedauert bis wir ihr Einverständnis hatten, um alleine nach Bafoussam zu fahren. Ich habe ein bisschen das Gefühl, dass wir mehr ihre Kinder als Freiwillige sind (wir wurden ständig von dem Satz: ,,On doit s´occuper des belles filles“ bzw. ,,Wir müssen uns um unsere schönen Mädchen kümmern“ begleitet – an der Stelle beruhigt das vielleicht auch alle, die sich Sorgen machen). Nachdem ich mich also schon darauf eingestellt habe, dass wir das Wochenende Zuhause (mit Büchern!) verbringen, waren wir dann doch auf dem Weg nach Bafoussam.

Allerdings nicht wie erwartet in einem der Taxen, die drohen jeden Moment auseinander zu fallen, aber stattdessen mit beeindruckenden Geschwindigkeiten durch die unzähligen Schlaglöcher brettern, sondern im Auto der Königin von Baham. Diese hat uns freundlicherweise mitgenommen, als DG im Vorbeifahren aus dem offenen Fenster gefragt hat, wohin sie denn unterwegs sei. Im Auto habe ich mir gewünscht, dass die Fahrt gar nicht aufhört. Hier gibt es so viel zu sehen, auch auf der ,,Landstraße“ sind überall Menschen und natürlich unzählige Motos, die beeindruckende Beladungstechniken aufweisen. Ganz abgesehen davon kann man sich alles in Ruhe anschauen, ohne von vielen lauten Menschen umgeben zu sein. Wer mich kennt weiß, dass das mir ein absolutes Gräuel ist, ich beobachte lieber ungestört von außen.

Allerdings ist das in Kamerun nicht wirklich möglich, kaum stiegen wir aus dem Auto aus, schlug uns schon wieder der Lärm einer Stadt entgegen, in der Blinker prinzipiell durch Hupen ersetzt werden.

Wie zu erwarten hatten wir keine Probleme die anderen Freiwilligen zu finden, das gestaltet sich doch deutlich einfacher als in Deutschland, da durch die Hautfarbe ein nicht unwichtiges Auswahlkriterium besteht. Das vergisst man auch niemals, wenn man in Kamerun als Weiße unterwegs ist. Nachdem wir uns einen unfassbar geilen und unfassbar günstigen Avocadosalat in einer Bar gegönnt haben, in der wie überall eine Toilettenspülung gefehlt hat bzw. diese nicht funktioniert (zur Deko ist sie immerhin ganz schön laughing ), wurden wir auf dem sogenannten Marché A durchgehend von ,,La Blanche“- Rufen ( ,,die Weiße“) begleitet. Ehrlich gesagt erinnere ich mich auch kaum an mehr. Es war viel zu viel, als dass man sich das alles hätte merken können. Aber prinzipiell ersetzt hier der ,,Marché“ den Supermarkt, sodass es von Obst und Gemüse über Schuhe und Kleidung bis hin zu Zahnpasta alles gibt.

Während ich es in Deutschland schon immer ganz schrecklich finde, wenn man von übermotivierten Verkäufern daran gehindert wird, sich alles in Ruhe anzuschauen, ist es hier kaum möglich auch nur einen Schritt zu machen, ohne von den Verkäufern darauf aufmerksam gemacht zu werden, dass ihre Ware ganz, ganz toll ist und man das unbedingt braucht (das schließt übrigens ein An-den-Arm-Packen ein). Das potenziert sich natürlich als Weiße nochmal, da es eine Tatsache ist, dass wir wesentlich mehr Geld haben als die meisten Leute vor Ort (und als die Verkäufer ganz sicher). Dabei sind aber trotzdem alle ganz freundlich und es ist auch durchaus möglich. den Markt zu durchqueren ohne irgendwo stehen zu bleiben. Bleibt man das dann doch, fühlt man sich so begehrt wie noch nie im Leben (also an alle Singles: Auf nach Afrika! Das ist das beste Mittel gegen das Gefühl einsam zu sein smile ). Trotzdem habe ich es geschafft nichts zu kaufen, was allerdings auch dadurch begründet war, dass ich nach ca. der Hälfte völlig darauf konzentriert war, nicht hinzufallen, da der Boden sich von festgestampfter Erde in einen Schlammpiste verwandelt hat, die es sich ganz sicher als Ziel gesetzt hat, möglichst viele weiße, tollpatschige Europäerinnen zu Fall zu bringen (aber natürlich habe ich gekämpft und dank meiner sehr ausgeprägten Geschicklichkeit gesiegt!).

Von dem typischen kamerunischen Treiben waren wir bei Eintreten in einen Supermarché (die es hier auch gibt, aber eben nur in größeren Städten) mit einem Schritt wieder in Europa. Okay, nicht ganz, immerhin sitzen in Europa keine zwei Mitarbeiter am Ausgang und führen ihr Kassenbuch, indem man beim Rausgehen den Kassenzettel an sie weitergibt (was bin ich froh, dass es an meinen Französischkenntnissen gescheitert ist, der Kassiererin zu sagen, dass ich den Kassenzettel nicht brauche). Aber es gibt Dinge, die ich wiedererkenne und bei denen ich mich nicht frage, ob die wohl essbar sind. Unter anderem auch die typische Lidl-Billig-Schokolade, die man zum Backen nimmt und die in Deutschland auf um die 60 Cent kommt, hier aber fast das doppelte kostet. Oder Nutella, das ich schändlicherweise nicht gekauft habe, weil es irgendwie komisch gewesen wäre, mit einem Glas Nutella zu DG und MaDe nach Hause zu kommen – aber das werde ich zu 100 Prozent beim nächsten Mal nachholen!

Aber wenigstens Schoki haben wir mitgenommen. Die war auch bitter nötig, da sowohl meine EC-Karte als auch meine Kreditkarte von drei Geldautomaten als nicht vertrauenswürdig befunden wurden. Dazu muss man vielleicht wissen, dass ich in D auch schon echt viel Stress diesbezüglich hatte und es einfach nur zum Kotzen war, dass sich das dann noch nicht mal gelohnt hat. Der vierte Geldautomat hat dann funktioniert und aus Erleichterung darüber, dass es überhaupt geklappt hat, habe ich dann ohne wirklich darüber nachzudenken eine viel zu unvernünftig große Summe abgehoben. Um das schon mal vorweg zu nehmen: Trotz aller Befürchtungen und Warnungen bin ich samt Geld wohlbehalten Zuhause angekommen.

Die Heimfahrt war trotzdem ein Erlebnis für sich. Fünf Plätze im Auto nutzen dessen Kapazität natürlich nur unzureichend aus. In Kamerun fährt ein Taxi nur los, wenn es voll ist. Und voll heißt wirklich voll, also insgesamt 7 Personen im Auto. Dafür kostet die 30-minütige Taxifahrt von Bafoussam nach Baham umgerechnet aber auch nur 90 Cent. Hält man also schon aus, auch wenn es durch das Übergewicht zweier Mitfahrer nicht unbedingt angenehmer wurde.

Zurück in Baham war ich dann aber doch recht froh, dass ich meinem Individualabstand wieder Raum geben konnte.smile

Sonntag, 17.09.2017

Freudestrahlende Kinderaugen

Das Thema Spenden ist für viele mit einem unguten Gefühl behaftet. Einerseits möchte man natürlich nicht so vermessen sein und nur für sich selbst leben, schließlich geht es einem doch so viel besser als der restlichen Welt – Ach nein, eigentlich geht es einem gerade gar nicht gut. Das Auto ist kaputt. Das Handy wurde geklaut. Die Heizung im Haus muss auf den neusten Stand gebracht werden. Nein, eigentlich hat man gerade selbst genug Probleme, man ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Und das soll verwerflich sein? Nein, man kann nur anderen helfen, wenn es einem selbst gut geht. Wenn alles wie geschmiert läuft, erst dann blickt man von seinen Problemen auf und schafft es vielleicht über den Tellerrand hinaus zu schauen. Dann stellt sich die Frage: Wie kann ich denn überhaupt helfen? Nein, mit der Organisation geht es nicht, da läuft alles Geld nur der Bürokratie zu. Bei der nächsten das gleiche Problem. Und eigentlich macht doch der kleine Teil auch überhaupt nichts aus.

Ich war zwar bisher ,,nur“ Schülerin, aber ich kenne diese (sehr überspitzt dargestellten) Gedankengänge trotzdem. Selbst als Schüler wäre man durchaus in der Lage auf bestimmte Dinge zu verzichten, um an anderer Stelle etwas zu unterstützen. Selbstverständlich macht man das nicht, das steht außer Frage. Damit schließe ich mich natürlich ein.

Ich bezweifle nicht, dass es Organisationen gibt, die den Willen zu spenden missbrauchen. Bis gestern war ich grundsätzlich allem in der Hinsicht gegenüber sehr kritisch eingestellt. Bis zu dem Punkt, wo ich einen riesigen Kanister Öl aus einem klapprigen Taxi in den großen Saal des AHPVs geschleppt habe. Danach ein Sack Zucker und eine monströse Packung Spaghetti.

Im großen Saal schlug mir eine ausgelassene, fast schon weihnachtsartige Stimmung entgegen von den dort versammelten Kindern. Grund dafür war eine großzügige Spende an Lebensmitteln und Schulmaterialien, die am Samstag verteilt wurde. Die Spender wurden mit dem Lied ,,we are happy to see you today“ (natürlich in bestem Englisch mit folgender Aussprache: wi ar happi tu si ju todey) begrüßt, was nicht nur eine Formalität war, sondern in dem Moment wirklich der Stimmung entsprach. Selbst (oder besonders?) die Gesichter der behinderten Kindern schienen vor Freude zu platzen. Schaute man in die Runde, blickten einem ausschließlich strahlende Kinderaugen entgegen. Dabei spürte man sehr deutlich, dass sie sich alle bewusst waren, dass sie auf genau solche Spenden angewiesen sind. Ohne hätten viele von ihnen kein Zuhause. Die Einrichtung ist aufgrund der fehlenden staatlichen Unterstützung extrem abhängig von Spendengeldern. Hier bewirkt jede noch so kleine Kleinigkeit etwas. Dazu kommt noch, dass hier der Euro wesentlich mehr wert ist als in Deutschland, beispielsweise kommt man in einem 2-Personenhaushalt mit 60 Euro im Monat für Lebensmittel gut hin. Das vergrößert die Auswirkung einer Spende aus dem europäischen Raum nochmals.

Das soll kein Appell an das schlechte Gewissen sein. Auch keine Moralpredigt. Wie man leben möchte, muss man für sich selbst entscheiden. Vielmehr möchte ich zum Ausdruck bringen, dass wir mit sehr wenig sehr viel bewirken können. Deutlich mehr als wir glauben. Und ich bin unheimlich dankbar, dass es Spender gibt, die die Arbeit des AHPVs ermöglichen. An der Stelle möchte ich mich auch nochmal bei meinen Unterstützern bedanken. Dank euch ist es möglich, dass ich die tolle Arbeit hier vor Ort unterstützen kann. Entgegen der verbreiteten Meinung ist unsere Einsatzstelle auf Freiwillige angewiesen, ohne uns würde das Konzept der Einrichtung nicht funktionieren. Wie dieses bzw. unsere Arbeit genau aussieht, werde ich in einem der folgenden Blogeinträge beschreiben.

Mittwoch, 06.09.2017

Unter ständiger Beobachtung

05.09.2017 und 06.09.2017

Ehrlich gesagt bin ich mir nicht so ganz sicher, wie ,,frei“ ich über dieses Thema schreiben darf, aber ich würde es doch ganz gerne mal ansprechen. Nachdem wir die Einrichtung kennen gelernt haben, wurden wir am folgendem Tag einer endlosen Reihe von ,,autorités“ vorgestellt. Ich würde euch jetzt sehr gerne davon berichten, wer das genau war und welche Funktionen durch diese Personen abgedeckt werden. Ähm ja, leider habe ich weder etwas von dem Gesprochenem verstanden, noch kann ich im Nachhinein die Gesichter der verschiedenen Kommandanten (den Unterschied zwischen der Kompanie und Brigade habe ich trotz mehrfachen Erklärungsversuchen immer noch nicht durchblickt) und ,,comissaires“ auseinander halten. Stattdessen spüre ich immer noch den eindringlichen Blick des momentanen Präsidenten auf mir. Egal in welchem Amtszimmer wir uns befanden, er war immer mit dabei :D

Wäre er ein Familienangehöriger, würde man sich vielleicht sogar geborgen und geschützt fühlen, es gibt ja genug Menschen, die Erinnerungen oder Glücksbringer von ihren Lieben bei sich tragen. Ist er aber nicht. Stattdessen sagt sein Blick ,,Hallo, ich bin hier. Immer. Sei stolz auf unser Land. Sei stolz auf mich. Auf das, was wir gemeinsam erreicht haben.“ - und das vielleicht Wichtigste: Er schaut auf dich herab und du schaust zu ihm hoch.

An dieser Stelle liebe Grüße an meine Lehrer und diverse Karikaturen, die außer Frage stellen welche Interpretationsrichtung an dieser eingeschlagen wird.

Aber das bleibt jedem selbst überlassen. Mir persönlich lief nicht nur einmal ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Ich bin mir auch nicht sicher, inwiefern meine Verständnisprobleme darauf beruhten, dass ich mich innerlich sehr über diese deutliche Geste ärgern musste und mich leider nicht auf das eigentliche Gespräch konzentrieren konnte. Glücklicherweise kann ich dann Franzi immer mit fragenden Blicken bombardieren und mich auch schon mal etwas hinter meinen ,,Sprachproblemen“ verstecken.

Es tut mir in der Seele weh die Menschen in diesem Land zu sehen, zu wissen welche große Arbeitsbereitschaft vorliegt und sich trotzdem genauso darüber im Klaren zu sein, dass der Respekt vor Autoritäten und Regierungsstrukturen vor dem Gemeinschaftsgefühl steht. Damit ist nicht die Solidarität innerhalb von Familien oder Regionen gemeint, sondern eine, welche sich nicht von Gehaltsunterschieden einschränken lässt. Wie schon bei dem Beitrag zu Douala angesprochen, sind die Unterschiede sehr extrem ausgeprägt. Wenige profitieren (nicht zuletzt durch Korruption), während der Großteil auf der Verliererseite steht. Afrika ist nicht arm. Aber ich wage es zu behaupten, dass es durch den Egoismus Einzelner arm gemacht wird.

An der Stelle möchte ich noch einmal betonen, dass die Blogeinträge auf meiner eigenen subjektiven Wahrnehmung und Meinung beruhen! Wer einen objektiven Bericht sucht, ist hier sicher an der falschen Stelle.

Trotz meiner automatischen Abneigung gegen solche Strukturen, komme ich nicht umhin zu sagen, dass wir überall mit einer großen Herzenswärme empfangen wurden. Jeder hat uns seine Handynummer gegeben, damit wir im Notfall anrufen können und somit für unsere Sicherheit bestens gesorgt ist (ich habe sämtliche Nummern unter einem Kontakt eingespeichert, da ich wie gesagt nicht die geringste Ahnung habe wer wer und wofür zuständig ist laughing). Ich schaffe es auch irgendwie nicht diese offenkundig herzensguten Menschen mit dem System in Einklang zu bringen, in dem sie integriert sind. Weiterhin fand ich es auf unserer Tour durch Baham sehr erstaunlich wie ausgebaut die Aufgabenverteilung ist. Neben Gesundheitsministern, gibt es ebenso Minister für Kultur, Öffentlichkeitsarbeit oder die Jugend (die Liste lässt sich fast endlos fortsetzen, auf den ersten Blick scheint es, dass jede Kleinigkeit ausnahmslos abgedeckt ist).

Montag, 04.09.2017

Endlich wieder Kontakt zur Außenwelt

SIM-KARTE, SIM-KARTEEE, SIM-KARTE!!!

Mehr brauche ich wohl zu diesem Tag nicht sagen. Ich hatte wirklich durchgehend ein selten dämliches Grinsen im Gesicht, als in meinem Handy endlich wieder eine funktionierende SIM-Karte war und ich mit meiner Familie und meinen Freunden in Deutschland Kontakt aufnehmen konnte. Plötzlich ist das fehlende fließende Wasser gar nicht mehr so schlimm und das Gefühl am Ende der Welt zu sein kaum noch existent! Ich bin kein Mensch, der dauernd am Handy hängt, aber ich bin wirklich wirklich dankbar, dass es Whatsapp gibt! Zuhause habe ich zwar nicht besonders guten Empfang, aber in der Einrichtung funktioniert sogar Telefonieren einwandfrei.

Apropos Einrichtung: Diese haben wir am Montag zum ersten Mal gesehen und somit auch die Menschen kennengelernt, die uns durch das Jahr begleiten werden. Sie besteht aus einem großen Gebäude, in dem das Büro und die Schlafzimmer der Kinder sind. Hier ist eine geschlossene Bauweise mit kleinen Fenstern üblich, daher wirkte alles sehr eng und dunkel. Ganz anders ist das Gebäude, wo der Saal, in dem sich alle zum gemeinsamen Essen zusammenfinden, das Atelier, wo Kleidung und Schmuck hergestellt wird und die Räumlichkeiten der Freiwilligen untergebracht sind. Irgendwie strahlt es einfach nur eine positive Energie aus, warum kann ich nicht sagen.

Unsere zukünftigen Zimmer sind sehr einfach gehalten, aber das reicht ja auch vollkommen aus. Und ich musste mich sehr zusammenreißen nicht vor Freude auszurasten, als ich gesehen habe, dass es deutsche Bücher gibt! Ehrlich gesagt habe ich mir schon ernsthafte Sorgen gemacht, was ich denn mache, wenn ich alle Ebooks, die ich mir vor der Abreise auf meinen E-Reader gezogen habe, gelesen habe. Dieses Problem sollte zumindest vorläufig gelöst sein. (kleines Update vom 17.9: Ich habe noch genau zwei ungelesene Bücher auf meinem E-Reader und somit anscheinend mein Lesebedürfnis dezent unterschätzt). In der Küche gibt es einen Kühlschrank und einen kleinen Gasherd, das sind auch schon mal gar keine schlechten Voraussetzungen.

Das Gelände gehört der benachbarten evangelischen Gemeinde, die die Pachtpreise erhöht hat. Daraus ist die Notwendigkeit entstanden ein Zentrum auf eigenem Boden zu errichten, um den hohen monatlichen Kosten zu entgehen. Dieses wurde uns im Anschluss gezeigt und ist wirklich sehr sehr schön. Nicht nur durch den schönen Ausblick auf Teile von Baham wird der Anlage ein sympathisches Aussehen verliehen. Das Gebäude ist sehr hell und geräumig gehalten und hat kaum noch Ähnlichkeit mit den jetzigen Räumlichkeiten. Aber natürlich haben Baustellen ihren eigenen Willen und werden in keinem Fall pünktlich fertig gestellt! Ich weiß gar nicht, welches Datum ursprünglich angesetzt wurde, aber ich meine mich zu entsinnen, dass während meines Bewerbungsgesprächs im Juni der Umzug durchaus ein Thema war. Die Schule ist tatsächlich schon fertig, aber in dem Hauptgebäude fehlt noch die Elektrizität. Da der Großteil der Kinder körperliche Behinderungen besitzt und somit nicht zum neuen Schulgebäude laufen kann, kann diese erst genutzt werden, wenn sie in dem Hauptgebäude neben der Schule einziehen können.

Es bleibt weiterhin spannend, wobei ich ehrlich gesagt nicht daran glaube, dass ich den Umzug hier vor Ort noch mitbekommen werde laughing

Sonntag, 03.09.2017

Eimer statt Warmwasserdusche

Zum Schlafen ist die Kälte wie schon gesagt echt toll – in puncto Körperhygiene aber eher weniger. Da die Strom- und Wasserversorgung in Baham noch schlechter ist als in Douala, haben wir bisher noch kein fließendes Wasser miterlebt. Laut der jetzigen Freiwilligen gibt es dieses normalerweise 1-2x in der Woche, aber momentan fällt es schon seit über 2 Wochen aus.

Die Stromversorgung ist angeblich normalerweise nur für wenige Stunden pro Tag weg, allerdings schreibe ich dies gerade, nachdem es schon seit über 48 Stunden keinen Strom mehr gibt. Bisher kommen wir zum Glück dank 2er Powerbanks ganz gut mit den Akkus hin, aber so langsam schreien die auch nach neuer Energie. Daher hoffe ich, dass wir in den nächsten Stunden mal wieder Strom (und damit auch Licht) kriegen, das macht doch alles etwas angenehmer. Was auch sehr angenehm war, war die Tatsache, dass wir am Sonntag kein Programm hatten und so neben etwas Rumtrödeln endlich auch mal zum ,,Duschen“ gekommen sind. Wir sind noch dabei, die effektivste Methode herauszufinden mit der möglichst wenig Shampoo in den Haaren verbleibt. Bisher sieht das folgendermaßen aus: Frisches Wasser aus der Regentonne von draußen in einem Eimer reinholen, dieses mit Chlor desinfizieren (riecht extrem angenehm), Haare reinhalten und nass machen (daran bin ich schon ziemlich gescheitert), einshampoonieren und anschließend im Eimer ausspülen. Klingt einfacher als es ist, ich hab es noch nicht wirklich gut hinbekommen, aber ich arbeite wohl oder übel dran. Allerdings es hat schon sehr gut getan den ganzen ,,Douala-Schweiß“ loszuwerden, auch wenn es verdammt kalt war.smile

Später am Abend saßen wir mit ein paar Leuten aus der Familie um das Feuer der Küche herum, auf dem ein riesiger Topf mit Reis köchelte. Dabei wurde vergeblich versucht meine Französischkenntnisse aufzubessern, sodass es meist in einem lachendem Kopfschütteln und dem Bedürfnis gegen eine Wand zu rennen geendet hat. Ähnliche Gefühle kamen wohl bei dem Sohn des Leiters der Einrichtung auf, als er versucht hat mir zu zeigen, wie man mithilfe eines Bretts aus Stein und einem ovalen Stein, den man darüber ,,rollt“, Tomatenpüree herstellt – auch hier bin ich kläglich gescheitert. Allerdings war ich wirklich überrascht, dass das Ergebnis von dem Sohn durchaus mit einem Thermomix mithalten kann.

An der Stelle frage ich mich, ob es nicht wünschenswert ist, dass man mehr durch Körperkraft herstellt. Abgesehen von dem Effekt auf die Fitness, müsste das doch zu einer höheren Wertschätzung von Essen beitragen? Ist das nicht genau das, was uns in Europa fehlt?

Samstag, 02.09.2017

Auf dem Weg ins Nirgendwo

02.09.2017

Meine Gedanken zu diesem Tag? Mein Hintern tut sch***weh. Auf dieser Basis sind so tiefgründige Gedanken wie beim letzten Blog wohl eher nicht möglich. Am Samstag sind wir endlich nach Baham gefahren und damit der schwülen Hitze und Enge von Douala entflohen.

In Kamerun nimmt man es nicht so genau mit Zeiten und Pünktlichkeit (hehe genau mein Land :D ), sodass die angekündigte 4 bis 5-stündige Autofahrt zu guten 8.5 Stunden mutiert ist. Mit der sich im Hintergrund immer wieder wiederholenden Musik von 2 CDs zog an uns mehr oder weniger schnell die Landschaft Kameruns vorbei. Das weniger überwog leider, da gefühlt alle 100 m Erhebungen in der Straße waren, die am zu schnell fahren hindern sollen. Taten, nicht nur sollen – da sie intelligenterweise so angelegt sind, dass jedes Überwinden einer solchen Erhebung mit schrecklich kratzendem Metall auf dem Boden (alias Aufsetzen des Autos) und 1000 Entschuldigungsgebeten an das Auto verbunden waren.

Wer sich jetzt vielleicht fragt wie zum Teufel man denn auf Kameruns Straßen zu schnell fahren kann, unterschätzt zum einen die Qualität dieser (tatsächlich sind sie abgesehen von den Erhebungen gut befahrbar), aber vor allem die Mentalität der Fahrer. Ich hab nicht nur einmal gezittert, als wir auf der linken Seite gefahren sind, um Motos zu überholen oder Schlaglöchern auszuweichen und uns in einem Affenzahn andere Autos (oder favourisiert Reisebusse) entgegen kamen.

Apropos Reisebusse: Es war immer wieder spannend diese in den Kurven zu beobachten – ich hätte jedes Mal wieder alles drauf verwettet, dass sie umkippen (taten sie natürlich nicht). Nach ungefähr der Hälfte der Strecke war es auch deutlich spürbar, dass wir uns von Douala entfernten und Baham näher kamen. Statt der 32 Grad beim Losfahren waren es zwischenzeitlich nur noch 14 Grad, was wesentlich angenehmer war. Die Landschaft wurde sehr schnell hügelig und wir fuhren an riesigen Bananen- und Papayaplantagen vorbei. Übrigens wurden die Erhebungen in der Straße von der ansässigen Bevölkerung genutzt, um dort ihr Obst und Gemüse anzubieten und ggf. auch den Autos hinterher zu laufen. Das ist weder aufdringlich. Noch unerwünscht, sondern schlicht und einfach Normalität. Auch wir haben sehr oft an solchen Stellen angehalten, um das Auto (was sowieso schon bis zum Anschlag mit unserem Gepäck vollgestopft war – inklusive des Daches, was uns vielerlei Schweißausbrüche beschert hat, wenn wieder ein besonders tiefes Schlagloch kam) komplett mit Obst aufzufüllen.

Nach der langen Fahrt und den doch etwas schockierenden Erlebnissen und Gegebenheiten in Douala war ich sehr dankbar, als ich das Haus gesehen habe, in dem Franzi und ich für 3 Wochen leben werden. Für afrikanische Verhältnisse ist es wirklich sehr schön und besitzt fast schon riesige Ausmaße für die geringe Anzahl an Menschen, die hier wohnen. Neben mehreren Bädern, gibt es sogar eine große Einbauküche mit Backofen, die man im Prinzip auch in Deutschland finden könnte. Franziska und ich teilen uns ein recht großes Zimmer mit eigenem Bad. Endlich ist es nicht mehr ganz so erdrückend und eng – stattdessen schon fast zu kalt, ich sitze hier grade beim Schreiben mit 3 Jacken übereinander. Aber zum Schlafen hat es einfach nur gut getan!

Freitag, 01.09.2017

Gelandet in einer neuen Welt

31.08.2017 und 01.09.2017

 

Der Plan mal eben etwas alleine zu schreiben ist an der unglaublichen Neugier der Kinder hier gescheitert. Es mussten erst einmal sämtliche Programme des Laptops (was nicht viele sind, da er zu den schon etwas betagteren Totschlagmodellen gehört) ausgetestet werden.smile

Die Neugier ist nicht nur bei den Kindern sehr groß, meine Mitfreiwilllige Franziska und ich wurden sehr freundlich von der ganzen Familie aufgenommen und alle sind sehr bemüht, dass wir uns als Teil der Familie fühlen. Das konnte allerdings nicht den ersten Eindruck abmildern.

Zu jedem, der mich vor Beginn des Dienstes gefragt hat, was ich erwarte, habe ich gesagt, dass man es sich wohl nicht im geringsten vorstellen kann. Und trotzdem dachte ich irgendwie, es mir vorstellen zu können, natürlich hatte ich eine Vorstellung. Diese wurde allerdings vollkommen überrannt von den ganzen Eindrücken. Das allererste, was ich von Kamerun mitbekommen habe, war unglaubliche Stille. Das lag daran, dass ich natürlich wie immer und überall zu spät dran war und es verpeilt habe meine Visadaten auf eine zusätzliche Karte zu schreiben, die man bei einer Kontrolle im Flughafen abgeben sollte. Da ich das dann noch nachgeholt habe, standen Franzi und ich erstmal alleine da. Nicht unbedingt der Anblick, den ich erwartet habe.

Das änderte sich dann in der Gepäckausgabe ganz schnell – überall waren Menschen (was natürlich eigentlich wenig verwunderlich ist in einem Flughafen, aber der Kontrast war doch recht groß). Glücklicherweise war unser ganzes Gepäck da, was laut unserem Betreuer definitiv eher die Ausnahme als Normalität ist. Ehrlich gesagt habe ich erwartet, dass man sofort von allen Seiten an(und be-)gequatscht wird.

Stattdessen habe wir ohne weitere Probleme den Leiter der Einrichtung und seinen Neffen gefunden (abgesehen von der Tatsache, dass unsere Rucksäcke den Boden statt des Gepäckwagen bevorzugten und dies auch sehr deutlich zum Ausdruck brachten). (Diese Worte schreibe ich, während mir ein ca. 9 jähriger Junge vollkommen begeistert und fasziniert in den Haaren rumtatscht). Und natürlich wäre ich nicht Lea, wenn ich nicht irgendetwas dämliches gemacht hätte – das war in diesem Fall die grandiose Idee sämtlichen Shampoovorrat ohne Tüte in den Rucksack an die Seite zu packen. Das Waschmittel kann ich mir jetzt auf jeden Fall sparen.

Aber zurück zu dem Gefühl überrannt zu werden. Nach dem Vorbereitungsseminar habe ich mir sehr viel Mühe gegeben nicht in irgendwelche Vorurteile bzw. Stereotypen abzurutschen. Allerdings hat es mir der Tag der Ankunft nicht leicht gemacht, vielmehr war es ganz genauso wie man sich das ,,typische arme Afrika voller Katastrophen“ vorstellt. Alles war voller Menschen, schon den Autos hat man angesehen, dass man ohne Mut nicht durch den Verkehr kommt (was prompt durch einen Motorradfahrer bestätigt wurde, der uns munter auf der rechten Spur entgegen kam). Und überall Müll, Dreck und rostende, schon längst nicht mehr fahrende Autofracks am Straßenrand.

Das war dann der Moment, wo mich die Frage eingeholt habe, was ich überhaupt hier mache. Warum kann ich nicht einfach studieren und mit meinem Freund in einer kleinen, aber feinen Wohnung mit fließendem Wasser und konstant funktionierender Elektrizität leben? Warum mache ich es mir so schwer und lebe nicht mein einfaches schönes kleines Leben? Stattdessen bin ich mit Franzi für 2 Tage in einer wunderbaren (und ziemlich großen) Familie in Douala, morgen werden wir nach Baham fahren, wo die Einsatzstelle liegt.

Die Wohnung hier ist klein, aber voller Positivität durch die Menschen. Habe ich eigentlich schon die Luft erwähnt? Es fühlt sich gar nicht so heiß an, aber es ist unfassbar schwül. Im Prinzip also eine Sauna, die nicht ganz so heiß ist. Ist natürlich äußerst angenehm, wenn es nicht immer fließendes Wasser gibt (natürlich gerade dann nicht, wenn man wirklich gerne duschen würde) – noch viel unangenehmer ist aber die Tatsache, dass auch das mit der Toilettenspülung nur so semi funktioniert und wir bisher noch nicht rausgefunden haben wie man effektiv mit einem Eimer nachspült. Aber gut, so langsam lerne ich Europa zu schätzen.

Heute habe ich die andere Seite der Medaille kennen gelernt. Wir haben den Tag in Douala verbracht und es war zu viel, um es in Worte zu fassen. Am auffälligsten waren die Gegensätze. Autos, denen ich es definitiv nicht zugetraut habe, dass sie sich überhaupt noch von der Stelle bewegen können, neben riesigen Hummern oder Land Rovern (hier liebe Grüße an Anna-Lena). Glänzende Gebäude aus Glas neben Bretterverschlägen, die wirkten als ob sie jeden Moment in sich zusammen fallen würden.

Die sich mir aufdrängende Frage ,,Wie kann das sein?“ und der noch immer gegenwärtige Gedanke ,,Was zum Teufel mache ich hier?“ hat der Leiter der Einrichtung bei einem Essen in einem kleinen Restaurant beantwortet. Beziehungsweise hat er mich vielmehr sehr berührt mit seinen Gedanken. Ich kann sie leider nicht annähernd so wiedergeben. Aber vor allem drang der Wunsch gehört zu werden durch. Ich habe verstanden, dass ich nicht für meine Selbstverwirklichung hier bin. Auch nicht, um zu helfen. Sondern, um zu sehen. Zu beobachten. Die Ungerechtigkeit, aber auch die Schönheit zu erleben. Die Menschen hier sind durchaus in der Lage hart zu arbeiten, ihrem Land selbst zu helfen. Sie brauchen unsere Hilfe nicht. Aber sie brauchen unser Bewusstsein. Unser Bewusstsein, dass wir nicht alleine sind. Ich möchte mich hier nicht zum Moralapostel aufschwingen, das ist nicht im geringsten meine Intention. Aber ich möchte meine Eindrücke teilen und wenn diese auch nur einen anderen Menschen zum Nachdenken anregen, welche Privilegien wir auf Kosten anderer haben, hat sich der Blog schon gelohnt.

Mich trifft das alles sehr tief und ich bin noch nicht in der Lage das wirklich in Worte zu fassen.